„Jung, brutal, rechtsradikal“: Wie sich die Jugend in MV radikalisiert

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„Jung, brutal, rechtsradikal“: Wie sich die Jugend in MV radikalisiert

„Jung, brutal, rechtsradikal“: Wie sich die Jugend in MV radikalisiert

Rostock. Sie zeigen den Hitlergruß und die White-Power-Geste, die die Überlegenheit der weißen „Rasse“ symbolisieren soll. Sie grölen rechte Parolen, bedrohen Andersdenkende und sind gewaltbereit. Doch vor allem sind sie eines: minderjährig.

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Seit dem vergangenen Sommer lässt sich deutschlandweit eine Zunahme jugendlicher Rechtsextremisten beobachten – auch in MV. In sozialen Medien rekrutieren neu entstandene Gruppen junge Menschen, aber auch außerhalb des digitalen Raums mobilisiert die rechtsextreme Szene. Experten sehen darin eine besorgniserregende Entwicklung.

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Eine dieser Gruppen nennt sich „Mecklenburger Jugend voran“ (MJV). Wie die OSTSEE-ZEITUNG bereits berichtet hat, ist sie vor allem in der Region Greifswald aktiv und für mehrere Straftaten verantwortlich, wie die Kriminalpolizei Anklam bestätigt. Darunter ein Angriff auf SPD-Politiker Ende Januar. Die Gruppe gilt als lokaler Ableger der bundesweit agierenden „Deutschen Jugend voran“.

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Neben der MJV sind zahlreiche Gruppen aus MV in sozialen Medien, wie Instagram und Tiktok, aktiv. Sie tragen Namen wie „Der Störtrupp“, „Division Schwerin“ oder „Letzte Verteidigungswelle“. Bilder auf ihren Kanälen zeigen die jungen Mitglieder. Sie posieren mit Bomberjacken, Springerstiefeln und bezeichnen sich selbst als „jung, brutal, rechtsradikal“. Ihre Beiträge unterlegen sie dabei gerne mit Liedern von Rechtsrockbands, wie Die Lunikoff Verschwörung.

Ein jugendlicher Rechtsextremist zeigt auf einer Demo im März in Wismar den Hitlergruß.

Ein jugendlicher Rechtsextremist zeigt auf einer Demo im März in Wismar den Hitlergruß.

Quelle: Pixelarchiv

Den Gruppen folgen mehrere hundert Personen. Dabei lassen sich auch Überschneidungen beobachten – die Gruppen sind zum Teil untereinander vernetzt. „Durch die Möglichkeiten des Internets, sich über die verschiedenen Kanäle einfach zu vernetzen und zu informieren, ist eine schnelle, auch spontane Mobilisierung der einzelnen Gruppen, aber auch von Sympathisanten möglich“, sagt das Innenministerium auf OZ-Anfrage.

Wie viele Personen den Gruppen zugeordnet werden können, lasse sich laut dem Ministerium nicht genau sagen. „Aufgrund rechtlicher Bestimmungen ist die Speicherung von Informationen über Personen unter 18 Jahren nur sehr eingeschränkt möglich“, so eine Sprecherin. Deshalb plane MV auch eine Anpassung der Rechtslage und eine Novellierung des Landesverfassungsschutzgesetzes, heißt es weiter.

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Erstmals traten die Gruppen in MV 2024 beim CSD in Wismar in Erscheinung. Sie mobilisierten mehr als einhundert Personen, um die Veranstaltung zu stören. Für die Experten der gemeinnützigen Organisation „Center für Monitoring, Analyse und Strategien“ (Cemas) aus Berlin, markieren die Anti-CSD-Demos aus dem vergangenen Jahr einen Wendepunkt in der rechtsextremen Szene.

Center für Monitorin

Analyse und Strategie

Einem Bericht des Cemas zufolge habe die neue Generation von Neonazis an Zugkraft gewonnen und ihre Rhetorik stärker auf Gewalt ausgerichtet als andere rechtsextreme Gruppen. „Diese neuen neonazistischen Jugendgruppen stellen sowohl kurz- als auch langfristig eine potenzielle Bedrohung für marginalisierte Gruppen dar“, so der Bericht weiter.

Bei der Mobilisierung neuer Mitglieder und der Durchführung von Aktionen sind die Gruppen aber nicht auf sich allein gestellt. Auf den Demonstrationen agieren auch erfahrene Neonazis, wie Christoph Thews von der als rechtsextrem eingestuften „Neue Stärke Partei“ aus Waren an der Müritz, als Versammlungsleiter und geben den Ton an.

Christoph Thews (rechts) spricht bei der Anti-CSD-Demo im September 2024 in Wismar mit jugendlichen Teilnehmenden. Thews gehört zur Führungsriege der rechtsextremen „Neue Stärke Partei“ aus Waren an der Müritz.

Christoph Thews (rechts) spricht bei der Anti-CSD-Demo im September 2024 in Wismar mit jugendlichen Teilnehmenden. Thews gehört zur Führungsriege der rechtsextremen „Neue Stärke Partei“ aus Waren an der Müritz.

Quelle: Pixelarchiv

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Laut Berichten des Recherchekollektivs „Oben rechts MV“ bestehen, zumindest durch die MJV, auch Kontakte zu der ebenfalls rechtsextremen Partei „Dritter Weg“. Auch diese Partei mobilisiert verstärkt junge Menschen – vor allem durch Kampfsporttrainings.

Dabei nimmt David M. aus Güstrow eine zentrale Rolle ein. Der Rechtsextremist organisiert regelmäßig Trainings in der Barlachstadt. Auch die „Jungen Nationalisten“, die Jugendorganisation der Partei „Die Heimat“ (ehemals NPD), spiele laut Verfassungsschutz eine zentrale Rolle in der Rekrutierung junger Menschen für die Szene.

Daniel Trepsdorf

Rechtsextremismusexperte

Die Zunahme junger Neonazis in MV komme für den Rechtsextremismusexperten Daniel Trepsdorf wenig überraschend. „Wo rechtsextreme Parteien zulegen, wird auch das entsprechende Weltbild mehrheitsfähig“, sagt er.

Ihm zufolge führe die rechtsextreme Szene einen „harten Kampf“ um die Deutungshoheit im digitalen Raum. „Den haben Kräfte wie die AfD vorerst gewonnen“, so Trepsdorf. Das begünstige den Aufstieg solcher Gruppen.

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Die Zahl politisch motivierter Straftaten hat laut Innenminister Christian Pegel (SPD) im vergangenen Jahr einen Höchststand in MV erreicht. Die Zahl der registrierten Fälle stieg von 1902 im Jahr 2023 auf 3317 im vergangenen Jahr, wie das Innenministerium in Schwerin mitteilte. Davon seien allein 670 Straftaten im Internet begangen worden, nach 381 im Jahr davor. Die meisten Fälle – 2184 – ordnet die Polizei der rechten Szene zu. Im Vergleich zu 2023 wurde ein Anstieg um 59,5 Prozent verzeichnet. Die Behörden registrierten 113 Gewaltdelikte, 34 mehr als 2023. Die Entwicklung sei besorgniserregend, hieß es. „Die rechte Szene in MV tritt mehr gewaltbereit auf“, sagte der Minister. „Dieser Bereich bleibt ein dominierender Aufgabenschwerpunkt für unsere Polizei und stellt nach wie vor die größte Herausforderung dar.“

Dadurch steige die Gefahr, dass menschenverachtende Einstellungen normalisiert werden und sich verfestigen, schätzt Trepsdorf ein. Noch herrschten sogenannte Propagandadelikte, zum Beispiel das Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole, vor.

„Doch daraus folgt irgendwann immer Gewalt“, so der Experte weiter. Das belegen auch aktuelle Zahlen zu politisch motivierter Kriminalität in MV. Laut Innenministerium sind die Straftaten auf einem Höchststand.

Auch der Landesjugendring beobachte diese Entwicklungen. „Wir teilen die Sorge um eine zunehmende Radikalisierung junger Menschen“, heißt es in einer Stellungnahme. Sie fordern „mehr Prävention, mehr politische Bildung, mehr Teilhabe und mehr Möglichkeiten, demokratische Werte zu erleben“, so der Landesjugendring weiter.

Doch: „Politische Bildung an Schulen kann die Entwicklung allein nicht aufhalten“, sagt Trepsdorf. Vor allem dann nicht, wenn das Elternhaus und das soziale Umfeld dem entgegenwirkten.

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